über sieben Jahre „Linkes Zentrum Mathilde Müller“ sind seit 2021 Geschichte. Mit der Benennung nach Mathilde Müller haben wir damals nicht „nur“ an eine Schwenninger Antifaschistin erinnert.
Unsere Namensgeberin Mathilde Müller: Biografie und Vorbild
Unsere Namensgeberin ist nicht berühmt. Mathilde war eine Schwenninger Kommunistin, eine Frau mit offenen Sinnen und Wissenshunger, stand sie ihr Leben für ihre Überzeugung ein, dass Kriege und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen kein Naturgesetz sind. Geboren wurde sie 1881 als ältestes von acht Kindern einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Sie erlebte die Not und den Hunger während des Krieges und die Armut auch danach. Diese Erfahrungen bildeten die Grundlage für ihr politisches Bewußtsein und Handeln.
Nach dem Volksschulabschluss musste sie als Hilfsarbeiterin in die Fabrik. Der Besuch einer weiterführenden Schule oder eine Berufsausbildung zu machen, diese Türen waren für sie als junge Frau aus einer Arbeiterfamilie verschlossen. 1919 trat sie in die SPD ein, wechselte zur USPD und fand ihre politische Heimat dann in der Kommunistischen Partei. Die Genossinnen und Genossen der KPD waren vor allem arbeitende Menschen wie sie selbst und keine Nur-Funktionäre. Mathilde war Betriebsrätin bei Mauthe, verlor dann als unbequeme Interessenvertreterin der Kolleg:innen die Arbeit. Aber sie blieb weiterhin keine gute Untertanin, so war ihre Existenz wie das vieler Menschen ihrer Klasse immer wieder aufs Neue gefährdet. Mathilde war tatkräftig, wie beim Bau des Schwenninger Naturfreundehaus Hirzwald bei St. Georgen, und vor allem im Kampf gegen den aufkommenden Faschismus.
Gegen Ende der Weimarer Republik war sie eine „bekannte Gegnerin des Nationalsozialismus“ (zitiert nach Landesamt für Wiedergutmachung) und war ab 1931 die einzige Frau im Schwenninger Gemeinderat und Mitglied der vierköpfigen KPD Fraktion. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Hindenburg im Januar 1933 konnte der braune Terror ungehindert wüten. Kommunist:innen, Sozialdemokrat:innen, Gewerkschafter:innen, die Organisationen der Arbeiterschaft waren die ersten gegen die sich die Angriffe der faschistischen Banden und der politischen Polizei richteten.

Bei der Stadtratsitzung am 14. März 1933 protestierte Mathilde Müller noch im Namen ihrer Fraktion gegen die Verhaftungen von Antifaschisten. Zitiert aus der Neckarquelle vom 15.03.1933: „Die kommunistische Stadträtin Mathilde Müller legte hierauf namens ihrer Fraktion und zugleich im Namen der arbeitenden Bevölkerung Schwenningens Protest ein gegen die kürzlich vorgenommene Festnahme der kommunistischen Stadträte Furtwängler und Jetter sowie auch die Inhaftnahme der übrigen kommunistischen Funktionäre. Wenn, so erklärt Frl. Müller weiter, wenn die Regierung Hitler-Hugenberg so weiterfahre, werde sie eines Tages erleben, dass das arbeitende Volk für deren Absetzung sorgen werde. Der Vorsitzende (OB) unterbricht hierauf die Rednerin und erklärt, dass er hier im Gemeinderatssaal Drohungen gegen die neue Regierung nicht dulden werde.“
Mathilde wurde zwei Wochen später verhaftet, und in das Frauenkonzentrationslager Gotteszell in Schwäbisch Gmünd gebracht, zusammen mit 70 kommunistischen Antifaschistinnen aus Württemberg . Dort blieb sie bis Weihnachten 1933 in Haft. Den Arbeitsplatz – wieder bei Mauthe – verlor sie, erst im Oktober 1934 fand sie Arbeit in der Uhrenfabrik Schuler. Im Zuge der Verhaftungen nach dem 20. Juli 1944 wurde sie erneut für mehrere Monate inhaftiert. Nach der Zerschlagung des Faschismus arbeitete sie wieder am Aufbau der KPD mit. Sie blieb ihrer Überzeugung treu, und trat weiter für ein sozialistisches Deutschland und eine friedliche Welt ein, trotz Antikommunismus und KPD-Verbot in der Bundesrepublik. Sie ließ sich nie weismachen, das Wasser flösse nach oben und stand immer zu ihrer Überzeugung: nur in einer Welt, die nicht auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht, kann Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit gelingen. Sie lebte bis zu ihrem Tod 1980 in Schwenningen.

Mathilde Müller ist für uns heute noch ein Vorbild, sie verkörpert beispielhaft die Geschichte, Niederlagen, Erfolge und die bisher unerreichten Ziele der organisierten Arbeiter:innenbewegung der Industriestadt Schwenningen.
Schwenningen war und ist eine Arbeiter:innenstadt
*Mit der Namensgebung zeigen wir bewusst, dass das Linke Zentrum ein Ort der Kontinuität der Arbeiter:innenbewegung ist. Zu dieser Kontinuität gehört die Auseinandersetzung mit der Geschichte der kommunistischen Genoss:innen, die Würdigung ihres Kampfes gegen Militarismus und Faschismus. Dazu gehört aber auch die Auseinandersetzung mit den folgenreichen Fehlern, die die Niederlage gegen die faschistische Herrschaftsform des Kapitals beförderten.
Antifaschismus war und ist in Schwenningen zuhause:
Um die Zeit um 1930 waren mehr als zwei Drittel der Beschäftigten ArbeiterInnen, Schwenningen war eine“ rote Hochburg“. Die Kolleg:innen fanden sich über die Arbeiterparteien KPD und SPD verbunden in Arbeitersport- und Kulturvereinen, den Naturfreunden, Selbsthilfe- und Selbstschutzorganisationen. Hier einzudringen war den Nazis kaum möglich, denn menschenverachtende und nationalistische Parolen fanden wenig Resonanz in einem System, das auf den Prinzipien der Solidarität und der Gleichheit der Menschen gegründet war. Noch 1930 kam die NSDAP in Schwenningen nicht über 6,6 % hinaus. Vor allem 1932 kam es zu Zusammenstößen mit den Nazisturmtrupps der SA und SS. Arbeiter:innen wollten nicht kampflos zuschauen, wie ihre Stadt, Gesellschaft und Heimat zu einem Opfer von Macht- und Rassenwahn, Gewalt und niedersten Instinkten wurde.
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Der Schwur der überlebenden Antifaschist:innen ist immer noch aktuell und bleibt unsere Richtschnur für linke Politik.